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Der Weg der Blumen
Im 17. Jh. war der "Blumenweg" (japanisch: kado) ausschliesslich den Adeligen und Kriegern vorbehalten. Die schwierigen Gestaltungsregeln zur Übung der Konzentration und zur Steigerung der Sensibilität wurden als eine Art Geheimwissen unter Männern weitergegeben. Nachdem mit der Öffnung Japans Mitte des 19. Jh. Ikebana zum Pflichtfach der "Höheren Töchter" geworden war, galt die Ausübung von da an als recht unmännlich.
Der "Blumenweg" ist einer der Wege des Zen-Buddhismus, die dem Menschen helfen sollen, zur Harmonie mit sich selbst und seiner Umgebung zu gelangen. Hierin hat Ikebana viele Parallelen und BerĂĽhrungspunkte mit der Teekunst. So entwickelte es sich aus dem buddhistischen Blumenopfer ab dem 15. Jh. zur meditativen Kunstform.
Nicht nach einer Anleitung mit Pflanzen zu "basteln" ist das Ziel, sondern sich selbst zu vergessen und darauf zu konzentrieren, das Wesen der Blumen, ihre Leichtigkeit, ihre Schönheit, Zartheit und ihren Charme zu verstehen und zum Ausdruck zu bringen. Man braucht nur einen Grashalm, um die Windrichtung zu bestimmen.
Das Bewusstsein, dass der Zauber der lebenden Blumen nur kurz anhält (japanisch: mono no aware), macht den Augenblick so besonders wertvoll. Die vergängliche Pflanze vermittelt Ruhe, Stille, ein Gefühl für das Wachstum und die Natur. Trotz Regeln ist die Einzigartigkeit des Ikebana durch die Individualität der Pflanzen selbst gewahrt. Man kann kein Blumenarrangement exakt kopieren. Jede Blüte sieht anders aus, dreht sich anders zum Licht, jede Pflanze hat an anderen Stellen ihre Blätter. In der Natur ist nichts im völligen Gleichklang. So bringt die Asymmetrie des unausgewogenen Dreiecks Spannung in das Arrangement und lässt im Gegensatz zur Symmetrie des europäischen Blumenbuketts Freiraum für eigene Vorstellungen. Die Dreieckskonstruktion (das bekannteste: Himmel, Mensch, Erde, oder das Höchste, Edelste, sein Begleiter und die Basis) wird unendlich oft variiert und drückt damit etwas von der Vielfalt der Welt, des Universums aus. Ikebana selbst lebt im und mit dem Wandel der Zeit. Seine Entwicklung spiegelt den Wandel der Einstellungen und der Menschen selbst wider: die Formen werden immer freier und vielfältiger, die Regeln aufgelockert. Selbst die Grundlage, die lebendige Blume, wird teilweise ersetzt durch Trockenblumen und der Verarbeitung andere dauerhafter, künstlich hergestellter Materialien. In der Vielfalt der Richtungen können Schüler heute zwischen mehreren tausend Schulen wählen. Ikebana besteht aus den Komponenten: Harmonie und Eleganz, Schlichtheit und Asymmetrie, Vergänglichkeit und Naturnähe.
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